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Kinder mit neuromuskulärer Schwäche profitieren von mechanischer Insufflation-Exsufflation

Zusammenfassung

Eine im Oktober 2019 abgeschlossene retrospektive Studie aus Utrecht (Niederlande) hat festgestellt, dass Kinder mit neuromuskulärer Schwäche vom Einsatz eines MI-E-Gerätes profitieren können. Untersucht wurde die Anzahl der Fälle, in denen eine Einweisung aufgrund wiederkehrender Infekte der Atemwege nötig war, sowie die Anzahl der Tage des jeweiligen Aufenthaltes im Krankenhaus. 
Die Studie belegt, dass die Anwendung von MI-E-Geräten die Häufigkeit von wiederkehrenden Infekten der Atemwege reduziert und die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus verkürzt. 

Einleitung – Welche Relevanz haben MI-E-Geräte in der Pädiatrie?

Es gibt einige neuromuskuläre Erkrankungen, die bereits im Kindesalter beginnen können. Dazu zählen etwa die spinale Muskelatrophie (SMA), Duchenne Muskeldystrophie (DMD) sowie kongenitale Myopathien und Muskeldystrophien. 
Ein Faktor für die erhöhte Morbidität und Mortalität von Patientinnen und Patienten, die an diesen Erkrankungen leiden, ist die eingeschränkte Fähigkeit zu husten und somit Krankheitserreger und Schleim aus den Atemwegen zu entfernen. Dies führt zu einer erhöhten Gefährdung für wiederkehrende Infekte der Atemwege.
Der Gebrauch von Techniken zur Reinigung der Atemwege wird aus diesem Grund in zahlreichen Leitlinien empfohlen. Der Einsatz wird von der individuellen Situation des Kindes abhängig gemacht. Geachtet wird dabei unter anderem auf die forcierte Vitalkapazität (FVC), den maximalen Atemfluss (Peakflow = PCF), die lokale Verfügbarkeit von Geräten und die Behandlungstoleranz. In den Niederlanden ist Air Stacking aktuell die noch am weitesten verbreitete und meisten akzeptierte Technik. Aber trotz eingeschränkter Studienlage setzt sich der Einsatz von MI-E immer weiter durch. 
Aufgrund der tendenziell vielversprechenden Zukunft von MI-E in der Pädiatrie und der noch dünnen wissenschaftlichen Evidenz wurde eine retrospektive Studie zur Untersuchung der Effektivität von MI-E bei neuromuskulären Erkrankungen im Kindesalter durchgeführt. 

Studienaufbau - Wie wurde die Studie durchgeführt?

Der gewählte Zeitraum für die retrospektive Studie war 2005-2019. 
Es wurden insgesamt 37 Kinder mit einem Durchschnittsalter von 5,2 Jahren in die Studie einbezogen, die mit der Anwendung von MI-E zuhause begonnen hatten. Kinder mit einem im Verhältnis zu Gleichaltrigen reduzierten PCF oder wiederkehrenden Atemwegsinfektionen starten zuhause normalerweise zweimal täglich mit Air Stacking. Wenn der Behandlungserfolg ausbleibt, wird auf den Einsatz von MI-E umgestellt. Es werden 3 Zyklen mit jeweils 5 In- und Exsufflationen durchgeführt. Nicht nur die klinischen Daten der Kinder wurden in die Beobachtung mit eingeschlossen, sondern auch die Erfahrungen von Eltern und Beziehungsberechtigten der Kinder. 
In der statistischen Analyse wurden die Anzahl der wiederkehrenden Atemwegsinfektionen, die eine Krankenhauseinweisung notwendig machten, und die Anzahl der Tage der Krankenhausaufenthalte 3 Jahre vor und 3 Jahre nach dem Einsatz von MI-E betrachtet. 

Studienergebnisse: Der Einsatz von MI-E eignet sich für das Airway-Management von Kindern mit neuromuskulärer Erkrankung 

Die meisten in der Studie beobachteten Kinder litten an SMA. Von diesen erhielten 13 Kinder (56%) das SMN-Protein-erhöhende Medikament Spinraza. Sechs Kinder begannen die Behandlung nach Einführung der mechanischen Insufflation-Exsufflation (MI-E), sechs vor der Einführung und eines gleichzeitig mit MI-E. Zwei Kinder mit Rückenmarkverletzung wurden ebenfalls einbezogen. Vier Patienten stellten die MI-E ein; zwei, weil sie später Atemhilfsmethoden erlernten, und zwei aufgrund eines Pneumothorax, einer bekannten Komplikation von MI-E. Ein 3-jähriger SMA-Patient und eine 15-jährige Patientin mit Polyneuropathie und schwerer Kyphoskoliose entwickelten einen Pneumothorax während der MI-E-Anwendung.

 

Die Nutzung von MI-E nahm im Laufe der Jahre zu, was vorwiegend auf intensivere Unterstützung bei jüngeren SMA-Patienten zurückzuführen ist. Nach Einführung von MI-E sank die mediane Anzahl an Krankenhausaufenthalten aufgrund von Atemwegsinfektionen (RTI) pro 1000 Tage signifikant auf 0,9 (IQR 0,0-3,1), verglichen mit 3,7 in den drei Jahren zuvor. Auch die Anzahl der Aufenthaltstage wegen RTI pro 1000 Tage war signifikant niedriger, mit einem Median von 2,7 (IQR 0,0-17,4) nach der Einführung von MI-E im Vergleich zu 33,6 vorher. Selbst nach Ausschluss der neun Patienten, die gleichzeitig mit chronischer mechanischer Beatmung begannen, zeigten sich ähnliche Ergebnisse.

 

Von den 31 Eltern und Betreuern, die Fragebögen zurückgaben, bewerteten 84% die Sekretentfernung und RTI-Prävention mit jeweils einem Median von 9,0 von 10 Punkten. Der Komfort der Kinder während der MI-E-Behandlung erhielt eine mediane Bewertung von 8,5 von 10. Drei Patienten berichteten über gelegentliche Beschwerden nach der Behandlung. Alle Eltern, auch die der Patienten, die MI-E absetzten, würden die Behandlung weiterempfehlen.

Ausblick

Die beschriebene Studie hat gezeigt, dass der Einsatz von MI-E für Ärztinnen und Ärzte, Eltern und die Kinder selbst in der Behandlung von neuromuskulären Erkrankungen nachweislich einen Mehrwert bieten kann. Es kann ein Behandlungserfolg erzielt werden, der gleichzeitig mit wenigen zusätzlichen Anstrengungen für alle Beteiligten verbunden ist. Für welche Patientengruppen genau sich der Gebrauch von MI-E besonders eignet und welche Risiken bestehen können, bleibt weiterhin Gegenstand der Forschung. 

 

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